August 2022

Ein neues FÖJ-Jahr hat begonnen und dementsprechend die Ära einer neuen Generation an FÖJlern auf der Birk. Das sind wir: Paula und Johanna. Wie schon die Überschrift sagt, sind wir dieses Jahr nur zu zweit. Das liegt daran, dass es immer mehr FÖJ Stellen gibt, die Anzahl an FÖJlern jedoch gleich bleibt und deshalb bei allen Stellen, die bisher drei FÖJler hatten einer abgezogen wurde, um erstmal zu sehen, wie sich alles verteilt und ob es vom Träger aus finanzierbar ist.

 

Da ich gerade schreibe, stelle ich mich schon mal vor, von Paula hört ihr nächsten Monat :)

Mein Name ist Johanna Coenen und ich komme aus Esslingen (nahe Stuttgart in Baden-Württemberg). Dort habe ich mit meiner fünfköpfigen Familie in einem Wohngebiet auf einem Berg neben Wiese und Wald gelebt und das Gymnasium besucht.

Nach dem Abi, das ich in Bio bilingual, Mathe und Physik geschrieben habe, hatte ich nicht das Bedürfnis gleich mit Sitzen und Lernen weiterzumachen und will erstmal Abstand zu dem ganzen Gebüffel bekommen. Viel draußen sein und körperlich arbeiten war meine Devise bei der Suche nach FÖJ Einsatzstellen und mit der Birk habe ich einen Volltreffer gelandet!

Hier etwas über mich im Schnelldurchlauf: Ich bin gern sportlich unterwegs, kreativ und immer offen Neues zu lernen. Tee trinke ich nur lieber als Kaffee, weil die Produktion weniger Wasser verbraucht und für Süßes bin ich eher weniger zu haben. In der Natur kann ich stundenlang spazieren gehen und fotografiere dabei gern hier und dort. Die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz liegen mir sehr am Herzen und waren zwei weitere Beweggründe zum FÖJ.

 

Nun aber genug zu mir und mehr zu unseren Erlebnissen:

Paula und ich sind beide schon am Samstag vor Arbeitsbeginn angekommen und hatten so Zeit Helena und Delphine aus dem letzten Jahrgang kennenzulernen. Es gab einen total lieben Empfang und wir bekamen eine exklusive Rundfahrt durch die Birk und zu den Koniks (Wildpferde, die hier im Naturschutzgebiet leben). Außerdem haben wir gleich einen Vorgeschmack davon bekommen, wie sehr man über das Jahr mit den Jungs (unseren Kollegen) zusammenwachsen kann.

Dazu gleich ein kleiner Exkurs: Die Jungs, das sind Stefan (Steffi), Uwe (Üwi), Thomas (Tommi) und Nils (Nilsi) und sie sind die vier festen Mitarbeiter der Integrierten Station Geltinger Birk.

Ihre Spitznamen sind Gesetz und schon seit Jahren in den FÖJ Annalen verzeichnet. Auf dem ersten Bild im Anhang sind von rechts nach links Paula, Üwi, Tommi, Steffi und ich zu sehen. Bei uns in der Küche hängt außerdem noch ein ganz tolles Bild von Tommi, das könnt ihr als zweites sehen.

Die Jungs sind auch einer der Hauptgründe, weswegen die Arbeitsmotivation so hoch ist und die Arbeit immer Spaß macht: Sie sind lustig, lieb, verlassen sich auf uns und unterstützen uns in jederlei Hinsicht. Besonders was handwerkliche Projekte angeht ist Steffi ein sehr großer Befürworter und deckt uns mit Material und Wissen ein. Auch einen Filmabend mit fragwürdiger Filmauswahl (Paula und ich hatten beide verdrängt wie anstößig “Harry Potter und ein Stein” ist) musste er bereits über sich ergehen lassen. Wenn wir beim nächsten Mal “Inception” schauen wird es besser, versprochen!

Mit Üwi hatten wir in unserem ersten Monat bereits eine Obstsammelaktion der besonderen Art. Am Rand des Naturschutzgebiets gibt es einen Feldweg, an dem entlang viele verschiedene Obstbäume gepflanzt wurden, die zur freien Verfügung stehen. Nur leider hängen die Äpfel, Birnen, Zwetschgen und Pflaumen so hoch…wie gut, das in unserer Werkhalle ein großer Traktor steht ;) Mit einigen Eimern und Säcken quetschten wir uns in die große Frontladerschaufel und Üwi hob uns damit in die Bäume, sodass wir nur noch zugreifen mussten. Am Ende hatten wir mehrere Eimer mit Äpfeln und Pflaumen, die wir in nächtelanger Handarbeit entkernt, püriert und heiß in Einweckgläser gefüllt haben um Obstvorräte in Mußform für den Winter anzulegen. Tatsächlich waren wir dabei so fleißig, dass wir eine Wette gegen Steffi gewannen, der fälschlicherweise der Ansicht war, dass wir die Unmengen an Obst nicht innerhalb einer Woche verarbeiten könnten. Weit gefehlt, denn wir brauchten nur vier Tage (und Nächte).

Tommi hat bei sich zuhause gerade eine große Baustelle und während wir in unserer Arbeitszeit mit dem Stationsboot durch die Schlei düsten oder an die Westküste fuhren, musste er in seinem “Urlaub” an seinem Haus arbeiten. Aus diesem Grund haben wir ihm als wir zufällig in der Nähe waren selbstgebackene Powerriegel mit Haferflocken vorbeigebracht. Damit hatte er wohl nicht gerechnet, denn als wir plötzlich in seinem Garten standen, sah er uns an als wären wir rosa Galloways.

Was Nils angeht, so haben wir in ihm eine nie versiegende Zucchiniquelle gefunden. In seinem Gemüsegarten herrscht wohl gerade Notstand und alles wird mit riesen Zucchini überschwemmt, die glücklicherweise bis zu uns schwappen. So kam es, dass wir teilweise 12 Zucchini auf einmal in unserem Kühlschrank lagerten, aus denen wir diverse Zucchinipuffer-Versionen, Zucchini-Quiche, Zucchini-Pfannkuchen, gebackene Zucchini, gefüllte Zucchini und Zucchinisuppe kredenzten. Rakt ist: Es gibt viel Zucchini.

Jetzt aber etwas über unserer Arbeit im Naturschutz:

Bereits in unserer ersten Woche hatten wir einen Einsatz außerhalb der Birk und fuhren nach Böxlund an der Grenze zu Dänemark, um Adlerfarn zu knüppeln. Beim Knüppeln knickt man mit einem Holzknüppel die Stiele der Farne um, ohne sie jedoch abzureißen. Statt neu auszutreiben steckt die Pflanze ihre Kraft in den umgeknickten Teil im Versuch ihn zu retten, was jedoch meist nicht funktioniert und die Pflanze absterben lässt. Wünschenswert ist das deshalb, da der Adlerfarn die seltene Trockenlandschaft, auf der wir ihn bekämpft haben, verschattet und auf Lange Sicht dazu führt, dass das Gebiet nach und nach verbuscht und letztendlich verwaldet. Dies würde den Arten, die von der Trockenlandschaft abhängig sind den Lebensraum nehmen und sie verschwinden lassen.

Entgegen unseren Erwartungen an die Temperaturen hier oben hatte es währenddessen nicht vergleichsweise kühle 22°C wie am Tag unserer Anreise, sondern kuschelige 30°C bei denen wir in der prallen Sonne auf dem am stärksten bewachsenen Steilhang herumkraxelten/rutschten. Eine Erfahrung für sich, aber definitiv das befriedigende Gefühl wert, wenn man am Ende vor einem Feld aus geknüppeltem Farn steht.

Wie schon kurz erwähnt hatten wir außerdem unsere erste Ausfahrt mit dem Stationsboot in die Schlei. Dort befindet sich eine kleine Insel - die Möweninsel - zu der wir Heiko, einen Botaniker, brachten, der die Pflanzen dort kartierte. Die Insel war, anders als erwartet, richtig hübsch. Zuvor hatten die Jungs uns erzählt, dass sie die Insel zu kälterer Jahreszeit einmal besucht und im Regen in einer dicken Schicht aus Schlick und Kormorankacke gestanden hatten - lecker. Bei uns war es glücklicherweise so trocken, dass von beidem nichts zu sehen war und wir unbehelligt über den Hügel und den Strand spazieren konnten, aus denen die Insel bestand. Naja fast, denn alle paar Schritte stießen wir auf ominöse Verpackungen aus Plastik in Form eines langen dünnen Schlauches mit farbigen oder durchsichtigen Längsstreifen. Nach der Überlegung ob wir die Verpackung einer dünnen Wurst vor uns hatten, blieben wir bei Üwis Vermutung, dass es sich um die Verpackung von Zuckerstangen handeln könnte, die eine Zuckerfabrik in der Nähe verantwortungsvoll entsorgt hatte… Da die Insel von der Schlei immer weiter abgetragen wird, bekommt unsere Station den Auftrag sie zu befestigen und wer weiß, vielleicht kommen wir im Zuge dessen dem Geheimnis rund um die Plastikschlangen auf die Spur.

Mit diesem einen besonderen Einsatz war es für die Woche noch nicht genug. Kurz darauf fuhren wir von uns an der Ostküste einmal quer durch Schleswig Holstein an die Westküste, um dort der Integrierten Station Beltringharder Koog beim Abbau eines langen Weidezaunes behilflich zu sein. Das war besonders für mich interessant, da der Beltringharder Koog mein Zweitwunsch im Bewerbungsverfahren war. Auch wenn ich zu 100% glücklich bin es zu meinem Erstwunsch, der Birk, gebracht zu haben, war es schön die FÖJler, BFDler und Stationsleitung vom Koog zu treffen.

Dass wir es bisher eindeutig nicht geschafft haben einen gesunden Schlafrhythmus zu etablieren wurde uns deutlich, als wir auf der Rückfahrt vom Koog im Bus beide ständig wegdösten.

Neben diesen besonderen Einsätzen hatten wir aber auch bei uns im Gebiet gut zu tun: Über mehrere Tage ersetzten wir den Stacheldraht des Besucherzaunes an der Brücke im Gebiet durch Glattdraht, montierten Schilder von einem Pfahl ab, um diesen danach zu fällen wir einen Baum und hatten unsere erste Begegnung mit Schwimmleinen.

Schwimmleinen sind, wie bereits in den Winter-Blogeinträgen des letzten Jahrgangs sehr gut nachzulesen ;) lange Seile, an denen in regelmäßigen Abständen kleine Schwimmposen befestigt sind. Die Leinen werden rund um Brutinseln auf dem Wasser ausgelegt und mit Steinen an Ort und Stelle gehalten, um Prädatoren wie Fuchs, Marderhund und Co von den Inseln fernzuhalten. In der Theorie sind die Räuber zu blöd um die Schwimmleinen zu überwinden, oder unter ihnen hindurch zu tauchen, ortsansässige Menschen mit Ahnung zweifeln jedoch an der Effizienz dieses Konzepts.

Die Wasserflächen auf der Birk, in denen die Schwimmleinen eingesetzt werden, enthalten Brackwasser. Das ist Wasser, das aus der Ostsee kommt und daher salzhaltig ist, nicht jedoch im ständigen Austausch mit der Ostsee steht. Außerdem gibt es noch mehrere kleine Süßwasserseen. Der Wasserstand der Brackwasserflächen ist über zwei große Pumpen regulierbar mit deren Hilfe künstliche Sturmfluten und Trockenphasen erzeugt werden können. Während der Sturmfluten werden weite Teile des Geländes, die sonst trocken sind mit Salzwasser überschwemmt, was das Wachstum salzliebender Pflanzen fördert. Während der Trockenphasen wird der Wasserspiegel abgesenkt, wodurch große Schlickflächen freigelegt werden. Auf diesen finden die Vögel, die während des Vogelzugs die Birk besuchen genügend Futter und Platz um sich aufzuhalten und hier zu überwintern oder weiter zu ziehen. Durch die Absenkung des Wasserspiegels im August lagen auch die Schwimmleinen teils auf dem Trockenen und wir nutzten die Gelegenheit um sie an Land zu ziehen. In Wathosen (eine Fusion aus überdimensionaler Matschose und Gummistiefeln) stiefelten wir auf den Schlickflächen umher bzw. blieben bei dem Versuch das zu tun darin stecken und zogen matschige Schwimmleinen mit noch schleimigeren Steinen daran an Land und auf die Anhängerladefläche. Da wir im Anschluss an die Aktion entsprechend aussahen wurden wir aus dem inneren des PickUps verbannt und mussten leeider leider auf der Anhängerladefläche mitfahren. 

Das löste eine ganze Serie von Anhänger- und Ladeflächenfahrten aus, da die Aussicht von dort aus viel exquisiter ist.

Zusätzlich zu unserer Arbeit im Gelände haben wir noch einen Aufgabenbereich: In unserer Werkhalle Gammeldamm befindet sich eine Amphibienaufzucht. In zwölf Aquarien werden Kröten und Frösche aus Laich über das Kaulquappenstadium bis hin zu Vierbeinern gezogen und dann ausgesetzt, um die Bestände in freier Wildbahn aufzustocken. 

Als wir die Aufzucht von Helena, Delphine und Finja übernommen haben, umfasste diese hauptsächlich noch Kreuzkröten, deren Aquarien wir täglich mit einer Pipette reinigen, die kleinen Vierbeiner, die die Metamorphose bereits durchlaufen haben in das Terrarium umsetzen und Kaulquappen und Minikröten füttern. Im Anhang könnt ihr sehen, wie winzig sie sind. 

Eine andere tolle Erfahrung, die wir diesen Monat machen durften war unser erstes FÖJ Seminar. Über das Jahr verteilt finden 5 Seminare statt, bei denen verschiedene Themen behandelt werden. Ab dem zweiten Seminar können wir diese Themen selbst bestimmen, das Einführungsseminar wurde jedoch von unserem FÖJ Träger organisiert und diente vor allem dem Kennenlernen, Zusammenwachsen als Gruppe und Aneignen von Methoden, da wir nicht nur die Themen der kommenden Seminare bestimmen, sondern diese auch selbst organisieren. In Schleswig Holstein sind wir rund 180 FÖJtis, weshalb wir in mehrere Seminargruppen eingeteilt sind. Paula und ich sind in der roten Gruppe – Pardon - roten Grütze, wie wir uns in den ersten Tagen selbst getauft haben. 

In unserer Gruppe ist Platz für jeden Gedanken, Raum für verschiedene Meinungen und für Diskussionen zu jeglichen Themen, sei es Politik, Nachhaltigkeit, Ärger darüber, wie unkompliziert und stressfrei der Wohngeldantrag ist, oder Austausch über die Einsatzstellen. Bereits nach nur einer Woche, die wir gemeinsam verbracht haben hat es sich seltsam angefühlt, als alle am Ende des Seminars wieder auseinander gingen. Umso mehr freuen wir uns auf das kommende Seminar, bei dem es um die Themen Nachhaltigkeit, Konsum und Ernährung geht. Da diese Themen sowohl Paula als auch mich sehr beschäftigen, haben wir uns mit sieben anderen Grützenmitgliedern als Vorbereiter für das zweite Seminar gemeldet. 

Ein nicht zu vergessendes Ereignis ist auch der Tag, an dem Paula abends ihr Handy mitten auf einer riesigen Grasfläche verlor und wir erfolglos versuchten es zu finden, bis der Mond aufging. Zuhause stießen wir auf eine Website, über die man sein Handy orten und klingeln lassen konnte, was uns half es am nächsten Tag doch noch aufzustöbern.

Am letzten Tag des Monats hatten wir eine Premiere: Unseren ersten Tag des Kartoffelrose Bekämpfens. Gemeinsam mit vier Helfern von der Stiftung Naturschutz machten wir uns auf in Richtung Birk Nack (die Birk ist aufgebaut wie ein Dreieck und die Spitze des Dreiecks, die in die Ostsee ragt, wird Birk Nack genannt) um uns dort ins Gefecht zu stürzen. Die Kartoffelrose ist ein invasives Gewächs und sehr hartnäckig. Sie überwuchert ganze Strandwälle so dicht, dass man den Boden nichtmehr sehen kann und verdrängt so einheimische Arten. Bei Birk Nack gibt es einen Bereich des Strandwalls, der vor ein paar Jahren von der Kartoffelrose befreit wurde. Eine große Maschiene hat den Boden einen Meter tief ausgehoben und alles Pflanzenmaterial, fast ausschließlich Kartoffelrose, herausgesiebt, bevor der Sand wieder an Ort und Stelle geschüttet wurde. 

Da einige kleine Wurzelstücke und Samen der Kartoffelrose überlebt haben und neu austreiben muss der Bereich jedes Jahr durchkämmt werden, um alle neu entstehenden Pflanzen mitsamt Wurzel auszustechen. An manchen Stellen hatten die neuen Kartoffelrosepflanzen bereits so lange Wurzeln gebildet, dass man den Eindruck hatte man grabe gerade das Stromkabel zum Leuchtturm Kalkgrund in einigen Kilometer Entfernung aus. 

So, das war es an Neuigkeiten für diesen Monat, sonst wird das hier noch ein Roman. Wir sind hin und weg von unserem ersten Monat auf der Birk und genießen die Abende mit lauer Luft und viel Licht. 

Ihr hört schon bald in den September und Oktober Einträgen von uns :)

 Bis dahin, schöne Grüße von der Birk!