März

Dass wir vor einem Monat noch auf der Möweninsel herumgekraxelt sind, kommt mir ganz surreal vor. Gerade sitze ich in der Ausstellung und arbeite meinen Tresendienst ab, draußen zwitschern die Vögel, die Sonne scheint und alle paar Minuten laufen oder radeln Menschen an der Station vorbei.

Zu Beginn des März sah es hier noch ganz anders aus. Der Frühling konnte den Winter noch nicht so wirklich zur Seite drängen, Besucher waren auf der Birk eher eine Seltenheit und es war immer noch kalt, nass und ungemütlich.

Die Jungs hatten das Möweninselprojekt, während wir in Dänemark im Urlaub waren offiziell beendet (zumindest für die nächsten Monate) (also werden wir drei am Projekt Möweninsel 3.0 hoffentlich nicht mehr beteiligt sein). Deshalb dachte ich, naiv wie ich war, dass endlich andere Projekte und Arbeiten auf uns zu kamen. Dementsprechend hielt ich es erst für einen schlechten Scherz, als Tommi am Montagmorgen verkündete, dass wir noch einen letzten Tag auf die Möweninsel fahren würden, um Weiden zu pflanzen und Gitterkästen auf Grasflächen zu setzen.

Wozu das Ganze? Die Möweninsel, die sonst eher etwas kümmerlich braun und kahl das Landschaftsbild der Schlei prägt, soll begrünt werden! Mithilfe der Gitterkästen wird beobachtet, ob Pflanzen theoretisch auf der Insel wachsen können, wenn sie nicht von Vögeln zerstört werden und die Weiden sollen durch ihre Wurzeln zusätzlich die Abbruchkanten sichern.

Die Gitter eignen sich übrigens auch, um verzweifelte ISGBler darin einzufangen (siehe Bilder). Außerdem zogen Lilli und ich noch einmal mit Mülltüten um die Insel und sammelten eine fragwürdig große Menge an Wurstpelle ein.

Aber eine gute Nachricht gab es an diesem Tag trotzdem: Auf der Birk war das erste Fohlen geboren! Natürlich fuhren wir noch am Abend auf die Fläche, um es uns anzusehen. Der Stute und dem Fohlen ging es zum Glück gut. Noch etwas vorsichtig und unbeholfen mit seinen langen Beinen tapste das Fohlen immer in der Nähe seiner Mutter in seiner neuen Welt umher.

Und nach diesem Tag konnten wir wirklich endlich mit anderen Projekten loslegen!

Lilli und ich begleiteten Tommi und Üwi zur Brutfloßbergung am Schwannsenersee. In diesem Gebiet, das sich südlich der Schlei befindet, hatten die Jungs und die damaligen FÖJtis drei Brutflöße und eine Brutinsel (diese ist im Gegensatz zu den Flößen nicht mithilfe von Ankern, sondern durch lange Stelzen im Boden befestigt) in einer Reihe angebracht. Eines der Brutflöße wurde durch die Sturmflut im Oktober von seiner eigentlichen Stelle losgerissen, trieb davon und spülte sich an einer anderen Stelle fest.

Schon am vorigen Tag hatten Tommi und Üwi zu zweit versucht den Anker an seiner dicken Eisenkette aus dem Wasser zu ziehen, allerdings vergeblich, da der Anker ein ordentliches Stück im Schlick steckte.

Mit Wagenheber, Spüllanze, Schläuchen, Pumpe und mit Unterstützung von Lilli und mir, stachen wir also ein wiederholtes Mal in See. Für Außenstehende muss es wahrscheinlich etwas skurril ausgesehen haben, wie Tommi uns jeden einzeln in dem winzigen Aluboot zu dem Floß brachte, aber an seltsame Blicke haben wir uns schon lange gewöhnt. Als schließlich jeder abgesetzt worden war, machten wir uns daran unsere improvisierte Hebel-Spül-Anlage aufzubauen. Weil wir uns während des ganzen Prozesses in Wathosen auf einem 3x3m² Floß befanden, auf dem überall Stolperfallen in Form von diversen Schläuchen lauerten, war die Aktion mit einer ordentlichen Portion Adrenalin verbunden.

Und dann hieß es: Wasser marsch! Eine Weile stocherte Tommi mit der Spüllanze im Schlick herum, aber der Anker, den wir, an seiner Kette am Wagenheber befestigt, versuchten an die Oberfläche zu hebeln, wollte sich einfach nicht rühren.

Irgendwann aber lockerte er sich endlich doch und wir konnten ihn Stück für Stück aus dem Wasser ziehen und schließlich aufs Floß zerren. WoopWoop!

Mittlerweile befindet sich das Floß wieder an seiner alten Stelle und kann seinem Dienst als geschützte Brutstelle weiter nachgehen.

Vor der Brutsaison mussten über den Monat hinweg auch die Brutflöße bei uns in der Birk und in Holnis kontrolliert werden: Während für die Kontrolle in der Brik die Drohne der Integrierten Station Unterelbe getestet wurde, kam in Holnis unser geliebtes Aluboot ein weiteres Mal zum Einsatz.

Nachdem wir eine Weile vor dem Stacheldrahtzaun standen und überlegten, ob er womöglich unter Strom steht, kraxelten wir doch durch ihn durch (ich bekam natürlich eine gewischt) und hievten das Boot auf die andere Seite. In dem Naturschutzgebiet bei Holnis befinden sich die Brutflöße etwas weiter auf dem Wasser. An diesem Tag war der Nebel ziemlich dicht und so wurden Üwi und Tommi in dem winzigen davonschaukelnden Boot schnell von dem grauen Dunst verschluckt.

Um uns die Zeit zu vertreiben, erkundeten Lilli und ich währenddessen das Gebiet. Die Halbinsel sieht mit ihren Salzwiesen auf den ersten Blick ähnlich aus wie andere NSGs in der Umgebung hier. Allerdings verleiht die Steilküste und der Sandstrand ihr einen gewissen Mittelmeer-Flair, was die Bewohner von Holnis wohl zu nutzen wissen, denn es gibt dort griechisches Olivenöl „aus eigener Herstellung“ zu kaufen.

 

Themawechsel: Die Kartoffelrose, auch rosa rugosa genannt, treibt auch in Holnis ihr Unwesen. Vor ein paar Jahren haben die Jungs dort die Flächen, die von ihr befallen waren, mit Vlies abgedeckt und wir wollten nachschauen, ob unter dem Vlies auch wirklich nichts nachwächst.

Aber (Oh Schreck!) tatsächlich fanden wir beim Anheben des Vlies‘ kleine Kartoffelrosenknospen und bei genauerem Hinsehen fiel uns auf, dass über der gesamten Fläche sich unter dem Vlies Pocken abzeichneten. Es ist und bleibt mir ein Rätsel, wie die Pflanzen sich ohne Licht weiterhin so extrem ausbreiten können…

Den März nutzten wir auch, um die Birk vor den Besucherströmen nochmal ein wenig aufzuräumen. Die Fläche am Deichdurchbruch bei Falshöft war endlich etwas ausgetrocknet, sodass wir dort den reingespülten Müll einsammeln konnten.

Die Bänke und Tische, die auch durch die Wassermassen ins Gebiet gerissen wurden, luden wir auf das Aluboot. Das wiederum hatten wir an eine Seilwinde, die normalerweise genutzt wird, um Bäume aus Gehölz zu ziehen, befestigt. So konnten wir die Bänke und Tische auf einer Art Schlitten aus dem Schlick ziehen. Was erstaunlich gut ging, bis Üwi, Lilli und ich beschlossen uns mit ins Boot zu setzen und der Halter abriss… Naja, zum Glück hatte das Boot noch andere Halterungen, an denen wir das Seil befestigen konnten.

Zwei ganz andere Aktionen, die im März noch anstanden, waren zwei Einfangaktionen mit den Gallowayrindern: Die erste zur Aussortierung der Kälber, damit diese bis sie größer sind auf eine andere Fläche kommen und am darauffolgenden Tag zur Blutprobenentnahme.

An diesen Tagen fühlte es sich, wenn ich mich richtig erinnere, auch das erste Mal so an, als würde es nun endlich Frühling werden. Die Luft war wärmer, das Gras war stellenweise durchzogen von weißen Schneeglöckchen und Anna machte uns ständig begeistert auf die Feldlärche aufmerksam, die hoch über uns in der Luft sang.

Wir sind zwar leider der Jahrgang, der weder die große Einfangaktion der Koniks im Herbst noch im Frühling miterleben darf. Denn die im fiel November sturmflutbedingt aus und wir hatten stattdessen mehrere kleinere im Dezember/Januar, sodass die im Frühling auch nicht mehr notwendig ist.

Durch die ständigen kleineren Einfangaktionen sind wir mittlerweile dafür routiniert an den Durchgangsschiebetüren. Zuerst einmal müssen die Tiere aber in die Fanganlage eingefangen werden und ich muss zugeben, vor den Rindern habe ich immer noch ziemlich starken Respekt, deren Mimik ist einfach immer viel schwieriger einzuschätzen als die der Koniks. Dementsprechend begeistert war ich, als zwischen den Kühen plötzlich Big Red, unser schwarzer Bulle vor mir stand. Dabei sollte man eigentlich umgekehrt vor den Kühen vorsichtiger sein. Weil die gerade fast alle kalben, ist bei ihnen der Schutzistinkt stark ausgeprägt. Außerdem, kleiner Funfact (oder doch Gerücht?) am Rande: Während Bullen, solltet ihr mal von einem angegriffen werden, die Augen schließen, wenn sie einen umstoßen wollen, halten Kühe ihre Augen offen. Einem Bullen kann man also anscheinend noch eher mal ausweichen. Jedenfalls schafften wir es die Rinder einzufangen und die älteren Kälber auszusortieren und setzten bei den neuen Kälbchen Ohrmarken. Die kleinen Kälber waren auch soo putzig, ich habe mich jedes Mal innerlich fast nicht eingekriegt, wenn gerade eins in der Box vor mir stand. Aber deren Fell ist einfach noch so flauschig und die Ohrmarken sahen an ihnen auch noch so übergroß aus!

Dementsprechend habe ich mich sehr gefreut, dass am folgenden Tag direkt die zweite Einfangaktion war. 

Das Rinderbluten, so wird die Blutabnahme genannt, wurde von einem Tierarzt durchgeführt, unsere Aufgabe war es wieder die Schiebetüren zu bedienen. Aber weil wir diesmal noch mehr Unterstützung von Bunde Wischen hatten, hatten wir auch die Möglichkeit beim Tierarzt mit dabei zu sein und zuzusehen, wie er die Blutproben entnahm. Zum Abschluss hatte Hanne an dem Tag seinen Grill dabei und mit wahlweise Fleisch oder Grillkäse wurden die gelungenen Einfangaktionen abgeschlossen.

 

Was stand sonst noch so an? Ach ja, die Bewerbungsgespräche für den nächsten Jahrgang. Es waren echt viele tolle Bewerber dabei und vor Ostern haben wir uns final für unsere drei Favoriten entschieden. Wie wahrscheinlich bei jedem Jahrgang hatten die Gespräche auch bei uns einen wehmütigen Beigeschmack. So richtig kann ich mir es noch gar nicht vorstellen wie es sein wird, wenn unser Jahr wirklich vorbei ist, wir nicht mehr jeden Morgen zur Station rüberlaufen, um in Tommis Büro den Tag zu besprechen, wir drei nicht mehr zusammen in unserer WG wohnen werden und man nicht mehr die Möglichkeit hat, jeden Tag das Meer zu sehen. Lieber nicht darüber nachdenken!

Die letzte Märzwoche vor Ostern verbrachten wir schließlich damit in Birk-Nack mit Steffi einen Prädatorenzaun aufzubauen, der das Brutgebiet der Vögel vor Füchsen und Madern schützen soll.

Beim Anschließen an die Weidezaunbatterie ermahnte uns Steffi mehrmals kurz mit dem Kaugummikauen aufzuhören, weil für ihn das Platzen von Kaugummiblasen und das Knacken von Strom gleich klingt. Wir waren ausnahmsweise mal nett und hielten uns dran, aber die Versuchung war schon da. Hätte bestimmt was zu lachen gegeben…

Und nachdem das erledigt war, fuhren wir drei über das Osterwochenende zu Anna nach Norderedt, um den März in Hamburg ausklingen zu lassen.

 

Alles in allem war der März ein wirklich ereignisreicher Monat, in dem es gegen Ende auch endlich mal ein bisschen mehr Sonnenschein gab. Und ich weiß, ich habe jetzt schon mehrmals davon geschrieben, wie sehr ich mich über den Frühling freue, aber nachdem man mehrere Monate jeden Tag in der Kälte war, freut man sich einfach über jeden warmen Sonnenstrahl, den man auf seiner Haut spürt

Aber sonst wars das eigentlich mit dem März und mittlerweile ist auch der April schon an uns vorbeigerast und wir stecken mitten in NET-Vorbereitungen, aber davon wird dann im Mai-Eintrag berichtet werden. Ich will ja nicht spoilern! :)